Biographie
Pia Imbar
Stimme, Atem, Raum und Spur
Als multidisziplinäre Künstlerin, geboren in Salzburg, entwickle ich ein Werk, in dem Atem zu Linie, Gesang zu Bild und der Körper zu Landschaft wird. An der Schnittstelle von Zeichnung, Malerei, Bühnenbild und Stimme erforsche ich die unsichtbaren Spannungen des klassischen Gesangs und die Gesten, die ihn durchdringen.
Eine doppelte Forschung: Canōgraphie und Interozeption
Im Zentrum meiner Arbeit stehen zwei miteinander verbundene Forschungsfelder, die aus meiner Praxis des Zeichnens und des klassischen Gesangs entstanden sind und von einer feinen und poetischen körperlichen Annäherung genährt werden:
Canōgraphie: eine gesungene Geste, die zu Licht wird. Durch das Anbringen leuchtender Manschetten an meinen Unterarmen und die Aufzeichnung meiner Bewegungen mittels Langzeitbelichtung entstehen Bilder, in denen sich Atem, Stimme und Bewegung in kalligrafischen Spuren verweben. Die Canōgraphie ist eine aus dem Gesang geborene Schrift, eine innere Kalligrafie, die die emotionale und physische Resonanz der vokalen Geste sichtbar macht.
Interozeption: eine grafische Erkundung der inneren Architektur des singenden Körpers. Durch Zeichnung versuche ich, die beim Singen aktivierten inneren Empfindungen — Atemvolumen, Spannungslinien, Vibrationen, Ausdehnungen — zu kartieren, in einem Ansatz, der die bloße anatomische Illustration ablehnt und eine verkörperte, intuitive Wahrnehmung des Atems offenbart.
Bühnenbild und visuelle Praktiken
Ich habe Bühnenbild an der Universität Mozarteum in Salzburg studiert und dort auch meine künstlerischen Forschungsprojekte vorgestellt.
Ich habe an zahlreichen Veranstaltungen in Frankreich, Österreich, Spanien und Deutschland teilgenommen. Meine Arbeit umfasst szenische Kooperationen, Live-Zeichnungsperformances, stimmliche Interventionen sowie Ausstellungen, die visuelle Kunst und Musikalität verbinden.
Ein von der Stimme gewebter Weg
Obwohl ich erst spät mit dem klassischen Gesang begonnen habe, bildet dieser die tragende Säule meines künstlerischen Weges. Ausgebildet in Frankreich und Österreich (Musikkonservatorium Orléans, Mozarteum Salzburg und regelmäßiger privater Gesangsunterricht) interessiere ich mich besonders für die Verankerung des Atems, für die körperliche Bewusstheit sowie für die expressiven und meditativen Dimensionen der Stimme.
Meine Erfahrung im Apnoetauchen nährt zudem diese Sensibilität für innere Stille, Meditation und die feine Beherrschung des Atems. So entwickle ich einen Zugang zur Stimme, der über die Technik hinausgeht und die Stimme zu einem Werkzeug der Selbsterkundung und der Erkundung des Raums werden lässt.
Canōgraphie
Mit Licht und Atem zeichnen: Stimme und Geste verschmelzen
von Pia Imbar
Die Canōgraphie ist eine von mir entwickelte vokale und visuelle Praxis, in der Gesang zur grafischen Geste wird. Durch das Anbringen leuchtender Manschetten an den Unterarmen der Interpretin und die Langzeitbelichtung ihrer Bewegungen entstehen Lichtspuren, die die emotionalen und körperlichen Nuancen des Gesangs sichtbar machen, ohne die natürliche Haltung der Sängerin zu verändern.
Das Wort Canōgraphie , gebildet aus dem lateinischen canō („ich singe“) und dem griechischen graphein („schreiben, zeichnen“), bezeichnet diese verkörperte Form der Kalligrafie, in der Stimme und Geste in einem gemeinsamen Atemzug verschmelzen. Anders als bei einer äußeren Aufnahme oder bewussten Illustration geht es hier darum, die intime Gestik des Gesangs sichtbar zu machen — jene, die spontan aus dem Atem, dem Phrasieren und dem inneren Impuls entsteht.
Diese Forschung entspringt meinem Wunsch, meine beiden künstlerischen Praktiken — Gesang und Zeichnung — miteinander zu verbinden. Erste Versuche, gleichzeitig mit Kohle zu zeichnen und zu singen, zeigten die physische Unvereinbarkeit dieser beiden Handlungen. So entwickelte ich ein Verfahren, bei dem die Zeichnung auf natürliche Weise aus der vokalen Geste hervorgeht, ohne den Gesangsvorgang zu unterbrechen.
Ich fühle mich besonders den meditativen und sakralen Dimensionen verbunden, die Gesang und Kalligrafie gemeinsam haben. Die Canōgraphie reiht sich in diese Tradition ein, indem sie flüchtige Momente innerer Resonanz sichtbar macht — nicht nur im Klang, sondern auch im Raum und im Licht. Die daraus entstehenden Bilder erinnern oft an abstrakte Kalligrafie, an eine spontane Übersetzung des gelebten Gesangs.
Jede Sitzung wird zu einem Dialog zwischen Atem, Geste und Bild. Durch diesen Prozess strebe ich sowohl danach, visuell berührende Kompositionen zu schaffen als auch das Bewusstsein für den gesungenen Atem und die Geste in ihrer Kontinuität, Innerlichkeit und Ausdruckskraft zu vertiefen.
Interozeption
Von innen zeichnen: die innere Architektur der Stimme sichtbar machen
von Pia Imbar
Der lyrische Gesang mobilisiert das gesamte Sein — Körper, Atem, Erinnerung, Empfindung. Es geht nicht nur darum, einen Klang zu erzeugen, sondern eine Präsenz vollständig zu verkörpern. Mit jeder musikalischen Phrase entfaltet der Sänger Spannungen, Elastizitäten und feine innere Landschaften. Diese Zeichnungen versuchen, dem, was gespürt, aber nicht gesehen wird, eine Form zu geben: Sie wollen das Unsichtbare kartieren.
Diese grafische Forschung entspringt meiner eigenen Praxis des klassischen Gesangs und des Apnoetauchens und wurde aus einer persönlichen Notwendigkeit geboren: der Erforschung, wie die Interozeption — das Wahrnehmen innerer Empfindungen — den stimmlichen Ausdruck unterstützt. Das Apnoetauchen hat mich eine neue Dimension der Entspannung und Stressbewältigung gelehrt und mich dazu gebracht, die innere Stille zu beobachten. Auch der Gesang gründet sich auf eine innere Körperarchitektur — vom Zwerchfell bis zum Nasenrachenraum, vom Kreuzbein bis zur Fontanelle —, die eher gespürt als bewusst kontrolliert wird.
Diese Bilder sind weder medizinisch noch symbolisch. Sie zeichnen Spannungen, Volumina, Vibrationen und Resonanzen nach: etwa einen sich dehnenden Muskel, einen sich öffnenden Brustkorb oder eine Unterstützungs¬linie, die sich wie ein „elastisches Band“ durch den Oberkörper spannt. Manchmal konzentriere ich mich auf ein bestimmtes Empfinden, manchmal entwerfe ich eine umfassende Vision des singenden Körpers. Es geht nicht darum, Anatomie zu illustrieren, sondern eine erlebte, poetische und funktionale Kartografie der verkörperten Stimme zu offenbaren.
Diese grafische Herangehensweise steht auch im Mittelpunkt eines laufenden Forschungsprojekts, das ich gemeinsam mit dem Regisseur Quentin Delépine durchführe. Ziel ist es, das pädagogische und szenische Potenzial der Visualisierung interozeptiver Empfindungen bei Sängern und Gesangspädagogen zu erforschen.